Die Rolle des Beraters in Eigenverwaltungsverfahren nach dem ESUG stellt sich oftmals als problematisch heraus. Es kommt immer wieder zu einer faktischen Fremdverwaltung, und die Kosten durch externe Beratung können die Masse für die Gläubigergesamtheit stark belasten und eine echte leistungswirtschaftliche Sanierung verhindern. Eine Lösung: Gläubigerausschüsse und Insolvenzgerichte müssen Verfahren stärker kontrollieren, sofern der Gesetzgeber nicht für überfällige Korrekturen sorgt.
Von Dirk Hammes, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht und Dipl.-Betriebswirt
Fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) ist im März die Evaluation des „Reformgesetzes“ eingeleitet worden. Den Auftrag haben unter anderem die Professoren Dres. Thole (Köln), Jacoby (Bielefeld) und Madaus (Halle/Saale) erhalten. Es steht dabei zu hoffen, dass die Missbrauchsanfälligkeiten in der Eigenverwaltung entschärft werden, damit die ursprünglichen Ziele des Gesetzgebers tatsächlich erfüllt werden: nämlich eine frühere Antragstellung zu erreichen, Gläubiger stärker einzubinden und wo möglich und sinnvoll eine schuldnergetriebene Sanierung zum Erhalt des Unternehmens zu ermöglichen, wenn hierdurch eine bestmögliche Befriedigung der Gläubiger garantiert ist (§ 1 InsO).
Dass diese Ziele regelmäßig nicht erreicht werden, zeigt die Praxis. Ein wesentliches der Eigenverwaltung ist die häufig bestimmende Rolle des Beraters. Das Modell, dass ein Verfahren in Eigenverwaltung ausschließlich mit Hilfe eines Beraters möglich sei, offenbart einen grundlegenden Mangel des gesetzlichen Leitbildes der Eigenverwaltung schlechthin. Dabei setzt die Eigenverwaltung nicht grundsätzlich voraus, dass der Schuldner Sanierungsberater mandatiert oder Insolvenzexperten in die Unternehmensleitung einbeziehen muss, um das Verfahren durchzuführen. Gerichtlich gefordert wird nur insolvenzrechtlicher beziehungsweise Sanierungs-Sachverstand auf Seiten des Schuldners. Dabei ist es unerheblich, auf welche Weise sich der Schuldner dieser Expertise bedient.
In der allzu überwiegenden Zahl der Verfahren in Eigenverwaltung nun kommen externe Sanierungsberater aus Unternehmensberatungen oder Rechtsanwalts- beziehungsweise Steuerkanzleien zum Einsatz. Zu visiblen Erfolgen führt dies aber nicht zwangsläufig. Das zeigt allein eine aktuelle Zahl, dass rund die Hälfte der Eigenverwaltungen später in die Regelinsolvenz führt und dass die durchschnittliche Verfahrensdauer bei 763 Tagen liegt (Quelle: Boston Consulting Group, „Fünf Jahre ESUG“). Dass die Eigenverwaltung also schnell zu nachweisbaren Sanierungserfolgen führe, wie gerne behauptet wird, lässt sich demnach widerlegen.
Zudem lässt sich immer wieder ein großes Problem in der operativen Verfahrensleitung erkennen: Es ist mittlerweile fast die Regel, dass der Berater in der Eigenverwaltung auf dem Fahrersitz Platz nimmt und weder Schuldner noch Sachwalter, Gläubigerausschuss oder Insolvenzgericht ihn daran hindern, das Verfahren an sich zu ziehen und eigene Entscheidungen dauerhaft durchzusetzen. Das führt geradezu zwangsläufig zu einer vom Gericht oder von den Gläubigern nur noch schwer zu kontrollierenden Nebeninsolvenzverwaltung, deren Gefahrenpotenzial bisher unterschätzt wird.
Dies steht aber im substanziellen Widerspruch zur gesetzgeberisch geforderten Kompetenz des Schuldners: Dieser muss zur Führung der Eigenverwaltung geeignet sein, da er, abgesehen von den besonderen Befugnissen des Sachwalters, alle Aufgaben und Pflichten wahrzunehmen hat, die ansonsten der professionelle Insolvenzverwalter zu erfüllen hat. Das heißt: Der eigenverwaltende Schuldner muss ebenso wie ein Insolvenzverwalter geeignet und geschäftskundig sein. Es lässt sich aber feststellen, dass diese Kompetenz de facto bei Schuldnern nicht vorhanden ist. Und das wiederum muss durch externen Sachverstand ausgeglichen werden. Das führt zum nächsten Problem. Der Sanierungsberater übernimmt in vielen Fällen die Rolle des faktischen Fremdverwalters, ohne jedoch die Grundlage der Insolvenzordnung, die die bestmögliche Befriedigung aller Gläubiger vorsieht, wirklich zu beachten.
Ebenso schnellen die Verfahrenskosten durch die Honorare externer Berater in die Höhe. Der Umfang der laufenden Beratungstätigkeit wird de facto vom Berater, nicht aber vom eigenverwaltenden Schuldner bestimmt. Eine kritische Prüfung der Leistungen und Honorarrechnungen findet zumeist nicht statt, weder durch den Schuldner noch durch den Sachwalter, denn dieser verdankt sein Amt häufig der Empfehlung des Beraters und hat bereits zukünftige Nominierungen im Auge. Damit verteuern sich viele Eigenverwaltungsverfahren ganz erheblich und nehmen die Luft für eine echte und womöglich kostenintensive leistungswirtschaftliche Sanierung (auch in der möglichen späteren Regelinsolvenz).
Daher sind Gläubigerausschüsse und Insolvenzgerichte gleichermaßen dazu aufgerufen, die voraussichtlichen Kosten der Beratung möglichst frühzeitig seriös zu ermitteln, bestenfalls mit Hilfe eines unabhängigen Sachverständigen, und die Kostenstrukturen laufend zu überwachen. Die Kosten dürfen nicht aus dem Ruder laufen, um den eigentlichen Sinn des Verfahrens nicht zu gefährden.
Die Eigenverwaltung ist – konstruktionsbedingt – missbrauchsanfällig, und die Missbrauchsanfälligkeit wird durch das ESUG massiv verschärft. Die Eigenverwaltung gehört, kurz gesagt, abgeschafft. Die Alternative zur Abschaffung ist mindestens eine spürbare Verschärfung der Zugangsvoraussetzungen zu Eigenverwaltungsverfahren. Dabei muss der Kompetenz des Schuldners größere Bedeutung zukommen, ebenso der stärkeren Überwachung der Berater und deren Entscheidungen. Das kann missbräuchliches Ausnutzen der Regelungen verhindern und zur Rückbesinnung auf den Zweck des Gesetzes.
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Mehr zu diesem Thema unter http://rae-hammes.de/index.php/aktuelles/aktuelle-meldungen/156-342-2 und http://insolvenzblog.de/eigenverwaltung-insolvenz-missbrauch/2017/06/23/ sowie bei Dirk Hammes: „Keine Eigenverwaltung ohne Berater? Zu Risiken und Nebenwirkungen einer scheinbaren Selbstverständlichkeit“, in: NZI – Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht (Ausgabe 4-2017)
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