Dirk Hammes hat in seiner Dissertationsschrift „Der Gläubigerausschuss in der Eigenverwaltung: Rechtsstellung und besondere Verantwortung“ seine Kritik an der Eigenverwaltung bekräftigt und vor allem Forderungen hinsichtlich der Rolle des Gläubigerausschusses aufgestellt.
Der Duisburger Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Dirk Hammes hat sich seit der Einführung des ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) und dem darin enthaltenen Instrument der Eigenverwaltung als Kritiker dieser Form der Insolvenzverwaltung positioniert. Unter anderem ist er mit dem Ausspruch, die Abkürzung ESUG stehe für „Extrem sorgloser Umgang mit dem Gesetz“ bekannt geworden. Und er steht weiterhin auf dem Standpunkt, dass „die Neuerungen des ESUG zur Eigenverwaltung in die falsche Richtung weisen, weil sie das Modell der Fremdverwaltung im Kostüm der Eigenverwaltung fördern und zu einem missbrauchsanfälligen Verfahren geführt haben, das zudem vielfach teurer als die Fremdverwaltung ist“.
Diese Einschätzung hat Dirk Hammes jetzt in seiner Dissertationsschrift Der Gläubigerausschuss in der Eigenverwaltung: Rechtsstellung und besondere Verantwortung ausgiebig ausgeführt und damit den juristischen Doktorgrad an der Universität Mannheim beim bekannten Rechtsprofessor Dr. Georg Bitter erlangt. Dabei konzentriert er sich besonders auf die Rolle des Gläubigerausschusses, für ihn das wesentliche Organ in jedem Insolvenzverfahren. „Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, lautet die erste Aussage der Insolvenzordnung. Daher kommt dem Gläubigerausschuss als dem neben der Gläubigerversammlung vorgesehenen Willensbildungsorgan der Gläubiger eine herausragende Bedeutung zu. Aufgrund ihrer rechtlichen und faktischen Möglichkeiten ist die Eigenverwaltung aber mit einem ganz erheblichen, über die Risiken der Fremdverwaltung weit hinausgehenden Potenzial des Missbrauchs verbunden und kann die Gläubiger massiv benachteiligen.“
Doppelüberwachung von Schuldner und Sachwalter
Aus diesem Grund seien die Anforderungen an die Sachkunde der Ausschussmitglieder in der Eigenverwaltung signifikant höher als in der Fremdverwaltung. Dies ergebe sich insbesondere aus der Aufgabe der Doppelüberwachung von Schuldner und Sachwalter sowie aus der Notwendigkeit besonderer Sensibilität für nachteilsindizierende Umstände, schreibt Dirk Hammes in seiner Doktorarbeit: „Bei der Beurteilung von Informationen, Konzepten und Rechtshandlungen des Schuldners hat die Frage des Missbrauchs stets besonderes Gewicht und ist mit deutlich gesteigerter Sorgfalt und Skepsis zu behandeln. Der objektive Wert jedes Gläubigerausschusses bemisst sich deshalb in der Eigenverwaltung noch mehr als sonst nach der Sachkunde, der persönlichen Integrität und der Beharrlichkeit seiner Mitglieder. Diese Gesichtspunkte sind schon bei der Einrichtung und personellen Besetzung des Ausschusses maßgeblich zu berücksichtigen.“
Relativierung des gesetzlichen Verfahrenszwecks
Für Dirk Hammes besteht eine große Schwachstelle der Eigenverwaltung darin, dass der wirtschaftliche Verlauf eines Insolvenzverfahrens in Form der Eigenverwaltung im Sinne des Schuldners und seiner Anteilsinhaber umfassend beeinflusst und gesteuert werden könne. Für den Insolvenzverwalter zielt das Modell der beratergesteuerten Eigenverwaltung auf die Relativierung des gesetzlichen Verfahrenszwecks ab: Es gehe vielmehr um die kurzfristige finanzielle Entlastung des schuldnerischen Rechtsträgers vor der möglichst weitgehenden Erfüllung der Insolvenzforderungen im Sinne der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung und vor einer nachhaltigen, auf einem tragfähigen Konzept basierenden leistungswirtschaftlichen Gesundung des Unternehmens. „Deshalb spielt in der Argumentation der Berater gegenüber den Gläubigern der Erhalt des Unternehmens und damit der Erhalt der künftigen Geschäftsbeziehungen und Arbeitsplätze eine so große Rolle. Und nicht ohne Grund werden Eigenverwaltungsverfahren nicht selten nach einigen Monaten auf Antrag des Schuldners selbst in die Fremdverwaltung übergeleitet.“ Dafür lassen sich aus neuerer Zeit exemplarisch das Schicksal der Kettler Freizeit GmbH und der Kettler Plastics GmbH (hierzu https://www.wiwo.de/unternehmen/mittelstand/werke-werden-geschlossen-kettler-muss-aufgeben/25117364.html, Meldung vom 15.10.2019) sowie des TV-Herstellers Loewe (https://www.handelsblatt.com/technik/it-internet/insolvez-loewe-belegschaft-wird-gekuendigt/24704570.html, Meldung von 26.07.2019) heranführen.
Dirk Hammes fordert daher unter anderem, mindestens die Zugangsvoraussetzungen der Eigenverwaltung zu verschärfen, jede Bindung des Gerichts an Vorschläge des Schuldners oder des Gläubigerausschusses zur Person des vorläufigen oder endgültigen Sachwalters zu beseitigen und den Gläubigerausschuss nur mit sachkundigen und von Schuldnerinteressen unabhängigen Mitgliedern zu besetzen. Konkret: „Mitglieder des Gläubigerausschusses, die ihre Aufgaben nicht in der erforderlichen Weise wahrnehmen, bringen der Gläubigergesamtheit nicht nur keinen Nutzen, sondern können ihr durch ihre Unfähigkeit oder Untätigkeit erheblichen Schaden zufügen. Dies muss allen Entscheidungsträgern bei Gericht stets bewusst sein.“
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Dirk Hammes‘ Dissertationsschrift Der Gläubigerausschuss in der Eigenverwaltung: Rechtsstellung und besondere Verantwortung erscheint im November als Band 56 der Reihe „Beiträge zum Insolvenzrecht“ im RWS Verlag, Köln (ISBN 978-3-8145-1656-1). 480 Seiten kosten rund 72 Euro. Mehr Infos unter: https://www.rws-verlag.de/buecher/der-glaeubigerausschuss-in-der-eigenverwaltung-rechtsstellung-und-besondere-verantwortung-978-3-8145-1656-1/
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