Die Insolvenzordnung besagt, dass eine Eigenverwaltung nur dann angeordnet werden darf, wenn das Verfahren nicht nachteilig für die Gesamtheit der Gläubiger ist. Um dies festzustellen und um den vorläufigen Gläubigerausschuss nicht schuldnerfreundlich zu besetzen, können Insolvenzgerichte auch auf einen objektiven Sachverständigen zurückgreifen.

Von Dirk Hammes, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht und Dipl.-Betriebswirt

Aktuell wird das seit 2012 geltende ESUG einer Evaluation unterzogen. Damit rückt auch das Instrument der Eigenverwaltung wieder verstärkt in den Blick der Fachwelt und eröffnet eine notwendige Diskussion über die Ausrichtung und den Einsatz des Instruments in der Sanierung (siehe auch Dirk Hammes: http://insolvenzblog.de/eigenverwaltung-insolvenz-missbrauch/2017/06/23/ und „Keine Eigenverwaltung ohne Berater? Zu Risiken und Nebenwirkungen einer scheinbaren Selbstverständlichkeit“, in: NZI – Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht (Ausgabe 4-2017)).

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, auch der Rolle des vorläufigen Gläubigerausschusses die Bedeutung beizumessen, die sie verdient. Denn der vorläufige Gläubigerausschuss hat maßgeblichen Einfluss auf die Anordnung der Eigenverwaltung. Dies ist in § 270 Abs. 3 InsO eindeutig geregelt: „Vor der Entscheidung über den Antrag [auf Eigenverwaltung] ist dem vorläufigen Gläubigerausschuss Gelegenheit zur Äußerung zu geben, wenn dies nicht offensichtlich zu einer nachteiligen Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners führt. Wird der Antrag von einem einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses unterstützt, so gilt die Anordnung nicht als nachteilig für die Gläubiger.“

Weiterhin besagt die InsO, dass eine Eigenverwaltung nur dann angeordnet werden darf, wenn das Verfahren nicht nachteilig für die Gesamtheit der Gläubiger ist. Will heißen: Sind solche nachteilsindizierenden Umstände bekannt, ist die Voraussetzung zur Eigenverwaltung nicht gegeben – gerade weil der Schuldner ja in der Eigenverwaltung prinzipiell alle Aufgaben des Insolvenzverwalters (unter Aufsicht des Sachwalters) übernimmt. Das Insolvenzgericht ist demnach gefordert, im Zuge umfangreicher Ermittlungen auch die Umstände zu ermitteln, die nicht offen zu Tage treten, um daraus eine wirklich begründete Entscheidung über die Insolvenz in Eigenverwaltung zu treffen. Diese Prüfung kann nicht allein auf den Angaben des Schuldners beruhen. Gerichte können sich, sofern sie sich ihrer Entscheidung nicht sicher sind, eines Sachverständigen bedienen, der aus neutraler Perspektive heraus die Ermittlungspflicht des Gerichtes erfüllt und damit die Basis für Zulassung oder Ablehnung der Eigenverwaltung schafft.

Ebensowenig sollte das Gericht die Vorschläge des Schuldners (beziehungsweise seines Beraters) zur Besetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses vorbehaltlos annehmen, sondern vielmehr genau prüfen, ob die Vorschlagsliste der gesetzlichen Anforderung an die Besetzung hinsichtlich einer objektiven, am Gläubigerinteresse ausgerichteten Amtsführung standhält. Aus der Praxis ist eine Vielzahl von Fällen bekannt, in denen Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses Eigenverwaltungsanträge unterstützt haben, obwohl zum Teil eine ganze Reihe nachteilsindizierender Umstände für die Gläubigergesamtheit bekannt waren und sie dementsprechend die Eigenverwaltung nicht der Regelverwaltung hätten vorziehen dürfen. Dass fast jede zweite vorläufige oder endgültige Eigenverwaltung in der Folge scheitert und in ein Regelverfahren überführt wird, ist nur eine logische Konsequenz aus dieser Praxiserfahrung.

Daher kann es sich für Insolvenzgerichte in den Fällen, in denen der Verdacht einer „subjektiven“ Besetzung des Gläubigerausschusses besteht, auch als positiv herausstellen, ebenso über einen Sachverständigen die vorgeschlagenen Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses zu prüfen und gegebenenfalls eine abweichende Besetzung zu bestimmen. Entscheidend dabei ist, dass der potenziell eigenverwaltende Schuldner und sein Berater nicht ihr Eigeninteresse über das Gläubigerinteresse stellen und versuchen, ihnen wohlgesonnene Personen im Ausschuss zu platzieren. Insofern gilt, dass die Einsetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses keine „Schnellschuss“, sondern das Ergebnis einer pflichtgemäßen Betrachtung und Abwägung aller Interessen und gesetzlichen Vorgaben sein muss.

Zugleich ist darauf zu achten, dass der einstimmige Unterstützungsbeschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses vollständig ist: Alle Mitglieder müssen beim Beschluss anwesend sein und diesem zustimmen. Schließlich sind die Mitglieder des Gläubigerausschusses verpflichtet, ihr Votum hinsichtlich der Eigenverwaltung nur auf Basis echter und nachvollziehbarer Informationen abzugeben. In allen anderen Fällen haften sie laut § 71 InsO für pflichtwidriges Verhalten.